Wednesday, May 02, 2007

Immer dieser Bundespraesident!

Wie manch einer schon mitbekommen haben duerfte, studier ich mehr oder minder fleißig Jura. Den Plan, die erste juristische Pruefung (frueher: 1. Staatsexamen) schon im 6. Semester zu machen, gab ich auf, als bemerkbar wurde, dass die Idee, die im Studium vermittelt wird, der Grundgedanke von der Pseudo-Demokratie etc., meinen Moral- und Weltvorstellungen völlig zuwiderlaufen. Man mag ja meinen, dass man seine eigenen Ideen im Studium halt zurueckstellen sollte, um Formeln zu lernen und die Sachverhalte da reinzupressen. Das stimmt ja auch soweit und ist nur bedingt problematisch. Schwierig wird es, vor allem im Bereich des Öffentlichen Rechts, wenn es um die Auslegung geht. Denn von der Zulässigkeit abgesehen, die schön schematisch ist aber nur einen Punkt bringt (oder 2, selten mehr), geht es in der Begruendetheit vor allem darum, Diskussionen zu führen.
Aufbau ist dabei zumeist: Formelle Verfassungsmaessigkeit eines Gesetzes und danach die Materielle Verfassungsmaessigkeit. Formell: Auch oft schematisch, dank der Foederalismusreform vielleicht nicht immer, aber egal. Materiell sieht die Sache dann wieder anders aus. Ein Beispiel:
In der heutigen Repetitoriums-Sitzung ging es um das Rederecht des Bundespraesidenten. Kurze Zusammenfassung: Um einen wirksamen Schutz vor Terrorismus in Deutschland zu haben, muss das dts. Militaer auch im Inland aktiv werden. Konkret sollten dazu Luftsicherheitsaufgaben betrachtet werden. However, alle in der Bundesregierung waren dafuer (einmal jubeln); allerdings kritisierte der Praesident in einer Rede dieses vorhaben, indem er kurz von der abgesegneten (durch die BReg) Redetext mit den Zeilen: "Die Bundeswehr habe mit ihren Aufgaben am Horn von Afrika und in Afghanistan bereits genug zu tun. Alles andere wuerde die Armee ueberfordern. Außerdem ist der Einsatz von Armee im Inland aus guten Gruenden stark beschraenkt."
Die Bundesregierung hat sich nun darueber aufgeregt, dass sie nicht "gefragt" wurde, und der Praesident es sich nicht herausnehmen duerfe, sowas zu sagen.

Das sollten wir nun pruefen (zugunsten der BReg). Maßstab war Art. 58 GG, nach dem Anordnungen und Verfuegungen von der Regierung gegengezeichnet werden muessen. Eine Rede ist weder das eine noch das andere. Dann wird auf den Zweck abgestellt, den diese Regelung hat, und dass sie keine Anwendung haette, weil der Praesident eh kaum was machen darf. Also muesste man die beiden Stichworte zusammenfassen und ausweiten, um festzustellen, dass der Praesident ja seine ganze Politische "Macht" über die Reden entfaltet. Und die Regierung nun ganz ganz scharf ein Auge drauf werfen muss, was er denn sagt.
Was ihn - meiner Meinung nach - zu dem Schoßhuendchen der Bundesregierung macht. Er ist aber dazu gehalten, neutral zu bleiben (was wir dann "im Sinne der Bunderegierung neutral" zugeteilt haben), so dass dies - in einer Demokratie als Volksvertretung etc. - eigentlich danebenginge, weil da keine Neutralitaet, sondern Parteiergreifung für die Bundesregierung ist.

Wie dem auch sei, irgendein Jurist, der auch Lehrbuecher schrieb, sah dies auch so wie ich, wurde aber in die Mindermeinungsriege verdammt und wird in den Vorlesungen verspottet. Grandios. Im Uebrigen hat der Praesident dann doch noch seinen Willen gekriegt - wie bei Al Capone und der Steuerhinterziehung - weil der Bundesrat dem ganzen nicht zugestimmt hat (aka. nicht reagiert hat).

Noch so ein moralischer Konflikt fand uebrigens damals bei meiner Schwerpunktspruefung statt. Haben glaub ich auch einige mitbekommen. Der zu lösende Fall (Strafrecht) befasste sich mit einem Arzt, der einer Schwerkranken, die unter großen Schmerzen litt, Schmerzmittel gab, die (laut Nebenwirkungen) auch lebensverkuerzend wirken koennen. Hat mal jemand sone Nebenwirkungen gelesen? das ist grausam, was da so alles drinsteht. Und auch ne Tomate kann lebensverkuerzend wirken, aber egal. Jedenfalls starb die Patientin dann ein paar Wochen frueher als "erwartet" (aber einige Monate nach der Schmerzmittelgabe) und man musste den Arzt einer Totschlagspruefung unterziehen. Alles, wirklich alles (objektiver Tatbestand war ja noch okay, aber subjektiv - Vorsatz) widerstrebte sich mir. Was dann zu 8 Punkten abzug gefuehrt hat. Egal. Der Arzt ist dann wegen Menschenwuerdeschutz im Notstand rausgefallen, aber trotzdem. Wenn ein Arzt mir Schmerzmittel gibt, ist sein Vorsatz wohl selten, mich wirklich zu toeten. Oder nicht?

ARGH, dieses Studium macht mich fertig!

3 comments:

Traeumerlinchen said...

*patpat* Das schaffst du schon! Irgendwann ist dieses Studium auch vorbei. ;o)

Der Herr Bundespräsident hat übrigens noch ein paar andere interessante Sachen gemacht, z.B. sich geweigert ein Gesetz zu unterschreiben, welches er nicht für grundgesetzkonform hielt. ;o) (Er spielt nicht immer Schoßhündchen.)

Anonymous said...

Hm, an welchem Punkt Du eine Prüfung scheitern lässt, hat doch keine moralische Wertung zur Folge. Ist doch gängige Praxis, dass man bestimmte AusschlußTBs nicht zu weit auslegen / überdehnen braucht, wenn das Problem bereits an anderer, späterer Stelle unproblematisch rausgefiltert wird. Wertend ist da dann alleine das Ergebnis.

Kris Rothe said...

dass er nicht immer schoßhund spielt, ist mir schon klar, aber... wir pruefen halt immer mit dem ergebnis, dass das so mal gar nicht geht. auch unterschreiben geht nur dann nicht, wenns formell nicht zustandegekommen ist (das war auch teil des falls), aber inhaltlich isses egal. ich find es ist schon ein unterschied, ob ich etwas daran scheitern lasse, weil es inhaltlich einfach mal gar nicht mit den Grundsaetzen einer "Volksvertretung" vereinbar ist (Demokratie, Menschenrechte, Menschenwuerde und was auch das Thema sein mag), oder weil der Bundesrat mal eben drei Wochen mal nix gemacht hat anstatt zuzustimmen wie noetig (oder so).
Weiss nicht. macht fuer mich schon nen unterschied. und darum bin ich fuer Jura auch nicht gemacht ;)